Fraunhofer IGCV fördert wissenschaftlichen Nachwuchs in Augsburg

Was ist Mechatronik überhaupt? Welche Projektmöglichkeiten gibt es? Wie generiert man Ideen? Und wie präsentiert man diese vor Kunden? Antworten auf diese Fragen erhielten zwölf Studierende der Hochschule Augsburg und der Universität Augsburg: Sie nahmen im Rahmen der interdisziplinären Lehrveranstaltung »Engineering 4.0« an einem eineinhalbwöchigen Praktikum teil. Jährlich wird diese Veranstaltung von wissenschaftlichen Mitarbeitenden des Fraunhofer IGCV koordiniert und gelehrt. Studierende sammeln dort praktische und theoretische Erfahrungen im Bereich mechatronische und digitale Entwicklungsprozesse.

Das Praktikum »Engineering 4.0« wird bereits seit fünf Jahren für interessierte Studierende aus naturwissenschaftlichen Studiengängen angeboten. Ursprünglich initiiert wurde die Veranstaltung von der TU München in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV. Seitdem findet die Veranstaltung jährlich statt – seit 2019 auch am Standort Augsburg. Unterstützt von seinem Institutskollegen Martin Zäpfel hält Albrecht Lottermoser – Doktorand und Gruppenleiter Kooperierende Robotik am Fraunhofer IGCV – das Praktikum bereits zum dritten Mal. »Für mich ist es eine sehr gute Möglichkeit, Lehrerfahrung zu sammeln«, meint Lottermoser. »Außerdem macht es Spaß, gemeinsam mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs an kniffligen Aufgaben zu arbeiten.«

Hochschule trifft Uni: interdisziplinäre Lehrveranstaltung

Das Seminar soll Studierenden ein grundlegendes Verständnis von mechatronischen und digitalen Entwicklungsprozessen nahebringen. Bisher fand die Veranstaltung an der TU München statt. Aufgrund der steigenden Nachfrage wurde in Abstimmung mit der TU München entschieden, sie Augsburgs Studierenden auch vor Ort anzubieten – in den Räumlichkeiten des neuen Institutsgebäudes des Fraunhofer IGCV. Das als Wahlpflichtfach klassifizierte Forschungspraktikum kann an der Hochschule und Universität Augsburg von Studierenden der unterschiedlichsten Fachrichtungen belegt werden. 2020 wurden die zwölf verfügbaren Plätze an Studierende insbesondere der Fächer Maschinenbau und Produktionsinformatik vergeben.

Praktikum »Engineering 4.0« – in acht Tagen von der Idee bis zum laufenden Prototyp

In den ersten Tagen des Seminars erhalten die Studierenden vormittags theoretische Einführungen in das Themenfeld. Im Fokus stehen Grundlagen für mechatronische und agile Entwicklung sowie für das digitale Engineering. So lernen die Studierenden etwa, mit welchen Werkzeugen virtuell in Betrieb genommen werden kann, um mögliche Fehler schon in der Entwicklungsphase zu identifizieren. Am Nachmittag wird dann in einigen Kurzprojekten das neu gelernte Wissen angewendet und erprobt. So simulieren die Studierenden etwa mit Fischertechnik den Aufbau einer Anlage und machen sich mit der agilen Entwicklungsmethodik »Scrum« vertraut.

Nach den ersten drei Tagen haben die Studierenden das Handwerkszeug für ihre freie Entwicklungsaufgabe erlernt. Bei dieser soll in der verbleibenden Zeit des Seminars eine funktionierende Abfüll-Anlage aus Fischertechnik konstruiert und aufgebaut werden. Von einem imaginären Kunden, der von der Seminarleitung gespielt wird, bekommen die Studierenden bestimmte Anforderungen, die sie mit Hilfe von Scrum umsetzen sollen. Dabei werden mehrere Sprints mit dazugehörigem Sprint Planning, Sprint Review und Sprint Retrospective durchgeführt. Im Sprint Planning treffen die Entwicklungsteams auf den Product Owner, welcher den Kunden vertritt und die Anforderungen an das zu entwickelnde Modul spezifiziert. Im Sprint Review wird der Sprint reflektiert und die Arbeitsergebnisse mit den Zielen abgeglichen, um Verbesserungen für die folgenden Sprints abzuleiten. Die Sprint Retrospective dient zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Team. Zum Ende des letzten Sprints soll ein Prototyp der Miniatur-Verpackungsanlage mit Fischertechnik aufgebaut sein. Wie die Mechanik aussieht, bleibt dabei den Studierenden überlassen, der fertige Prototyp soll am Ende entsprechend den Anforderungen portionieren – in diesem Fall Erbsen. Und warum ausgerechnet Erbsen? Bei der Frage muss Organisator Albrecht Lottermoser schmunzeln: »Erbsen haben sich einfach bewährt. Früher haben wir dafür Schokolinsen verwendet, aber die fingen wegen der Abwärme der Anlage oft an zu schmelzen – oder wurden von den Studierenden einfach aufgegessen.«

Nicht nur der theoretische Hintergrund und die Entwicklungsprozesse stehen bei der Ausarbeitung des Prototyps auf dem Lehrplan. »In der Lehrveranstaltung sollen auch Softskills vermittelt werden«, sagt Lottermoser. »Nebenbei stellen die Studierenden ihre Teamfähigkeit unter Beweis, erfahren neue Methoden zur Ideenfindung oder lernen, wie man sich vor möglichen Kunden präsentieren sollte.«

Das gelernte Wissen wird am letzten Tag in einer Prüfung abgefragt, welche den Studierenden fünf Leistungspunkte einbringt. Als Belohnung nach der Prüfung gibt es dann noch eine kurze Praxiseinführung der Firma Unity AG, durch welche die Studierenden als i-Tüpfelchen noch wertvolle Erfahrungen aus Sicht der Industrie mitnehmen.

Fazit: Ein Erfolg auf ganzer Linie

Nicht nur für das Fraunhofer IGCV, welches mit der Lehrveranstaltung gezielt wissenschaftlichen Nachwuchs fördert und bei den Studierenden das Interesse für die eigenen Forschungsschwerpunkte weckt, war das Praktikum ein voller Erfolg. Auch die Studierenden freuen sich über die praxisnahe Herangehensweise und die einmalige Gelegenheit, gelerntes Wissen direkt anzuwenden. Besonders der interdisziplinäre Ansatz und der Austausch mit der jeweils anderen Universität bzw. Hochschule fand unter den Studierenden Anklang. Albrecht Lottermoser freut sich vor allem über die unterschiedlichen Ergebnisse der Praktik: »Durch die intensive und interdisziplinäre Zusammenarbeit ergeben sich immer wieder neue Lösungen – die Studierenden können ihrer Kreativität freien Lauf lassen und bekommen gleichzeitig wertvollen wissenschaftlichen Input. Die Eine oder der Andere lässt sich so bestimmt für eine spätere Tätigkeit bei Fraunhofer begeistern.«

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