Rundum nachhaltig: Fraunhofer IGCV zieht Fazit der ersten Monate in neuer Augsburger »Green Factory«
Seit Februar 2020 läuft der Forschungsbetrieb am Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV im Augsburger Innovationspark. Es ist bereits der zweite Standort des Fraunhofer IGCV am Technologiezentrum. Als Teil des Verbundprojekts Green Factory Bavaria unterstützt das Institut produzierende Unternehmen der bayerischen Wirtschaft, den Energiebedarf zu reduzieren und gleichzeitig die Ressourceneffizienz zu erhöhen. Dies soll auch das neue Institutsgebäude reflektieren: Ein innovatives und nachhaltiges Gebäudekonzept zielt darauf ab, Dialog, Vernetzung und Nähe, Flexibilität sowie Produktivität und Innovation widerzuspiegeln.
Das Fraunhofer IGCV wächst – von drei Projektgruppen zu einem selbstständigen Institut mit insgesamt rund 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein essenzieller Schritt für weiteres Wachstum: die räumliche Zusammenlegung der Verwaltung und den bisher in Augsburg verstreuten Standorten des Wissenschaftsbereichs Verarbeitungstechnik. »Als Team unter einem Dach erschließen wir in den Bereichen Material, Produktion und Produkt für Guss und Faserverbundwerkstoffe neue Forschungs- und Anwendungsfelder«, sagt der geschäftsführende Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Klaus Drechsler. »Und das in allen Bereichen der betrieblichen Hierarchien.«
Der kompakte Komplex besteht aus einem zweigeschossigen Institutsgebäude und einem viergeschossigen Energie-/Parkgebäude – und ist so angelegt, dass er später durch bis zu zwei zusätzliche Gebäude erweitert werden kann. Im lichtdurchfluteten Technikum befindet sich die Prozesskette für Forschungs-, Demonstrations- und Lehrzwecke. Forscherinnen und Forscher tüfteln hier künftig an Lösungen zur ressourceneffizienten Produktion und Verarbeitung im Industrie 4.0-Umfeld.
Rund 100 Personen aus Verwaltung und Forschung sind in die Räumlichkeiten eingezogen, bis zu 160 Arbeitsplätze stehen insgesamt für studentische Hilfskräfte und weitere Mitarbeitende zur Verfügung. Mit dem Umzug in das Gebäude kann das Fraunhofer IGCV seinem neu erworbenen Status als Institut (bis Ende 2019 Fraunhofer-Einrichtung) gerecht werden – und selbst die Art von Nachhaltigkeit vor Ort leben, wie sie täglich auch in der Forschung umgesetzt wird: Von Anfang an war das neue Institutsgebäude für einen energieeffizienten und ökologischen Betrieb ausgelegt.
Für das Fraunhofer IGCV erst der Auftakt – und der Abschluss eines fast zehnjährigen Herzensprojekts für Prof. Dr.-Ing. Gunther Reinhart. Seit der ersten Idee der »Green Factory« im Jahr 2012 hat er zusammen mit seinem Hauptabteilungsleiter und Professor für Produktionsinformatik an der Universität Augsburg Johannes Schilp die Realisierung des Bauvorhabens maßgeblich und mit hohem persönlichem Einsatz vorangetrieben. Der ihm unterstellte Wissenschaftsbereich Verarbeitungstechnik ist mit den neuen Möglichkeiten bestens für die Zukunft aufgestellt. »Nun kann ich beruhigt in den Ruhestand gehen«, schmunzelt der noch bis Herbst 2020 am Fraunhofer IGCV tätige Institutsleiter.
Grüne innere Werte: durchdachtes architektonisches Konzept
Das Gebäudeensemble setzt sich aus den Bausteinen Institutsgebäude und Energie-/Parkgebäude zusammen. Die kompakte Gebäudekubatur des Institutsgebäudes bietet dank zweier Innenhöfe und der offenen Dachterrasse überall Tageslicht und viele Außenbezüge.
Das südlich angrenzenden Energie-/Parkgebäude kombiniert Funktionen und Technikflächen mit einem Parkhaus. Die Technikräume dienen über einen Medienkanal die Halle an, das Rückkühlwerk und Photovoltaikelemente – auf den Betrieb des Gebäudes ausgelegt – sind auf dem Dach angeordnet, welches der Form der Photovoltaik-Elemente folgt. Die Fassade ist rundherum begrünt. Auch am Institutsgebäude dominieren moderne, klare Linien. Die Materialität der Klinkerfassade vermittelt die industrielle Idee. Die nach innen gewandten Pfostenriegelfassaden werden im Kontrast zur rauen Außenschale glatt ausgebildet. Die Dächer werden extensiv begrünt, um die Regenrückhaltung zu vergrößern und das Mikroklima zu verbessern.
Auch im Inneren der »Green Factory« zieht sich das nachhaltige Konzept durch. Durch den modularen Aufbau des Gebäudes lassen sich Büros ebenso wie das Technikum äußerst flexibel nutzen. Verbunden sind Hallen- und Bürobereich durch einen langen, lichtdurchfluteten Mittelgang, die sogenannte »Spine«, die sich über beide Geschosse zieht. Im Falle einer Erweiterung des Gebäudekomplexes kann sie zu einer Brücke umfunktioniert werden und so die Gebäude verbinden. Die Gebäude sind von LEDs beleuchtet und durch Fernwärme beheizt. Für ein behagliches Raumklima sorgt die Betonkernaktivierung von Decken im Bürobereich welche – kombiniert mit einer Wärmepumpe – das Grundwasser nutzt, um bei Grundbeheizung und Kühlung zu unterstützen. Die Kompressionskältemaschine zur Kaltwassererzeugung sorgt für die aktive Kühlung. Die Abwärme wird über den Doppelkondensator der Kältemaschine wieder genutzt.
Erstes Fazit: guter Start in eine nachhaltige Zukunft
Nach knapp einem halben Jahr im neuen Gebäude zieht die Institutsleitung ein erstes Fazit. »Trotz der – Corona-geschuldeten – außerordentlichen Umstände konnten wir den Forschungsbetrieb planmäßig nach dem Umzug wieder aufnehmen und unsere Industrieprojekte weiter vorantreiben«, sagt Prof. Drechsler. Komfort und Funktionalität ebenso wie Nachhaltigkeit und Energiebilanz des neuen Standorts entsprächen genau den Vorstellungen. »Unser Ziel, Gebäude und Produktionsprozesse in ein direktes Zusammenspiel zu bringen, ist voll aufgegangen – die perfekte Basis, auf der neue Industrie-Konzepte für eine zielorientiere Energiewende entstehen können.«
Förderung durch den Freistaat Bayern
Das Grundstück, auf dem sich der Neubau befindet, gehört dem Freistaat Bayern und wurde in unentgeltlicher Erbpacht bereitgestellt. Finanziert wurde das Bauprojekt mit einem Volumen von 28 Millionen Euro von drei Fördergebern: Dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem Freistaat Bayern über das Projekt Green Factory Bavaria sowie dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Ziel ist es, produzierende Unternehmen der bayerischen Wirtschaft bei der Reduktion des Energiebedarfs sowie bei der Erhöhung der Ressourceneffizienz in modernen Produktionsprozessen zu unterstützen.
Kunst am Bau: Ort der Begegnung und des Austausches
Eine Wandinstallation von Ester Stocker empfängt den Besucher des neuen Fraunhofer IGCV Gebäudes. Die Künstlerin behandelt den dreidimensionalen Raum wie einen Bildraum. Der Gast kann das gedankliche Erlebnis, in ein Bild hineinzugehen, auf die Spitze treiben: indem er Platz nimmt, verweilt, wieder aufsteht und durch Bewegung den Raum immer wieder neu erfährt.
Esther Stocker ist eine italienische Malerin und Installationskünstlerin (1974, Schlanders). Sie absolvierte von 1994 bis 1999 ein Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien.
»Das Raster oder die Ordnung brauche ich«, so die Künstlerin, »um überhaupt erst eine Abweichung davon beschreiben zu können. Systemlosigkeit lässt sich nur durch Systeme beschreiben, sie ist Teil des Systems. Hinter einem Chaos ist immer auch eine Art Ordnung.«
»Unser Ziel, Gebäude und Produktionsprozesse in ein direktes Zusammenspiel zu bringen, ist voll aufgegangen – die perfekte Basis, auf der neue Industrie-Konzepte für eine zielorientiere Energiewende entstehen können.«
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