Zielsetzung
Die Komplexität heutiger Verarbeitungsmaschinen erfordert ein hohes Maß an Erfahrungswissen des Anlagenbedieners zur Einstellung der Prozessparameter. Darüber hinaus erfolgt die Instandhaltung entweder vorbeugend in definierten Intervallen oder reaktiv. Beides ist auf eine mangelnde Modellierung des Maschinenverhaltens zurückzuführen. Methoden des maschinellen Lernens bieten das Potenzial, diese funktionellen Zusammenhänge analytisch abzubilden. Dies wurde bereits in zahlreichen produktionstechnischen Anwendungen erfolgreich dargestellt, jedoch bisher nur eingeschränkt zur Online-Prozessoptimierung und vorausschauenden Instandhaltung angewandt. Darüber hinaus existiert bislang kein Ansatz zur Regelung und Überwachung von Verarbeitungsmaschinen. Ziel von VIPER ist es daher, ein System zur Online-Prozessoptimierung und vorausschauenden Instandhaltung zu entwickeln, welches es ermöglicht, auf Basis der durch Sensoren an der Maschine erfassten Daten gleichzeitig den Zustand der Maschinen zu überwachen und daraus Aktionen abzuleiten sowie eine Optimierung der Prozessparameter durchzuführen.
Vorgehen
Im Gegensatz zur Consumer-Industrie ist die Nutzbarmachung von maschinellen Lernverfahren im industriellen Umfeld nicht ebenso weit fortgeschritten. Eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Zyklus von der Anwendungsidee bis zur Umsetzung und Integration ist daher hilfreich, um standardisierte Vorgehen zu erarbeiten und geeignete Algorithmen für die Datenvorverarbeitung und -analyse zu identifizieren. Darauf aufbauend kann der Transfer von Big Data in die Produktion beschleunigt werden.
Im Rahmen des Forschungsprojektes VIPER widmet sich das Fraunhofer IGCV gemeinsam Partnern aus dem Maschinenbau sowie Softwaredienstleistern der skizzierten Herausforderung, maschinelle Lernverfahren in Produktionsumgebungen nutzbar zu machen. In VIPER sollen maschinelle Lernverfahren sowohl für die Online-Prozessoptimierung als auch die vorausschauende Instandhaltung eingesetzt werden, um einerseits den laufenden Betrieb zu optimieren und andererseits die Restlebenszeit von Verschleißkomponenten vorherzusagen. Die Anwendungsfälle liegen dabei in einer Gegenstrahlmühle sowie einer Abfüllanlage, die in aseptischen Zustand betrieben wird.
Ein zentrales Augenmerk des Forschungsprojektes liegt dabei auf der Abdeckung der gesamten Prozesskette für eine intelligente Verarbeitung von Maschinendaten. Dies beginnt zunächst bei der klaren Formulierung von Zielen für die Datenanalyse, also die Beantwortung der Frage, welches Wissen man aus Daten gewinnen möchte. Hierfür ist es notwendig, Experten aus den relevanten Fachbereichen eines Unternehmens zu befragen und deren Prozesswissen in einer formalisierten Weise aufzunehmen. Anhand der so aufgenommenen Zielgrößen kann eine Übersicht der benötigten Daten erstellt und mit notwendigen Kontextinformationen versehen werden. Eine standardisierte Prozesswerttabelle erleichtert den Schritt zu sog. Smart Data.
Diese oft entscheidenden vorbereitenden Schritte werden von Unternehmen jedoch oft vernachlässigt, weswegen viele Projekte im Kontext von „Big Data“ und „Machine Learning“ zum Scheitern verurteilt sind. An dieser Stelle möchte das Forschungsprojekt VIPER angreifen und insbesondere innovative Methoden und Konzepte für eine strukturierte und zielgerichtete Vorbereitung für die Analyse großer Datenmengen bereitstellen.
Ziel ist es, ein adaptives System zur Online-Prozessoptimierung und vorausschauenden Instandhaltung zu entwickeln, welches es ermöglicht, auf Basis der durch Sensoren an der Maschine erfassten Daten gleichzeitig den Zustand der Maschinen zu überwachen und Aktionen abzuleiten sowie eine Prozessoptimierung durchzuführen. Es soll dazu dienen, die Maschinenverfügbarkeit, die Prozessqualität sowie die Robustheit zu erhöhen.
Das System ist einschließlich seiner einzelnen Bausteine in der Abbildung dargestellt. Die zentrale Aufgabe des Systems ist es, maschinelle Lernverfahren für die Regelung und Überwachung von Maschinen nutzbar zu machen. Ein elementarer Baustein des Systems ist deshalb die Bereitstellung geeigneter Verfahren in einer Bibliothek im Hinblick auf den Einsatz zur vorausschauenden Instandhaltung und zur Prozessoptimierung. Für diese beiden Anwendungen eignen sich Verfahren des überwachten Lernens, welche es ermöglichen, die Struktur der Trainingsdatensätze von Experten vorzugeben. Dies ist erforderlich, um Prozesswissen, welches im Engineering und beim Bediener vorliegt, in das System zu integrieren. Beispiele hierfür sind Zustände, welche durch ein Condition Monitoring erkannt, oder Stell- und Zielgrößen, die durch die Prozessoptimierung online geregelt werden sollen. Zu deren Integration muss eine Schnittstelle definiert werden, welche es dem Bediener ermöglicht, Prozessinformationen zu hinterlegen und daraus Entscheidungen für die Gestaltung des Lernverfahrens ableitet. Die Bausteine vorausschauende Instandhaltung und Online-Prozessoptimierung bilden die Schnittstelle zwischen der Verfahrensbibliothek und dem Bediener. In den Bausteinen werden die Lernverfahren genutzt, um aus Datensätzen Modelle zu erzeugen. Darüber hinaus wird hier die Modellgenauigkeit evaluiert und dem Bediener über eine Visualisierung bereitgestellt. Die Funktionsfähigkeit des Systems wird anhand zweier Demonstrationsanlagen bei den Anwendungspartnern aufgezeigt.
Fakten zum Projekt
Projektvolumen: 1.906.000,00 €
Laufzeit: Oktober 2017 bis September 2020
Konsortium
- ITQ GmbH
- Software Factory GmbH
- Ampack GmbH – Bosch Packaging Technology
- Hosokawa Alpine AG
- Fraunhofer-Institut für Gießerei, Composite und Verarbeitungstechnik IGCV
Abbildung: Bausteine des Forschungsprojektes VIPER