PHOTOAM | Elektrofotographisches Multimaterial-Auftragsmodul

Herausforderungen beim Laser-Strahlschmelzen

Die zunehmende industrielle Relevanz des Laser-Strahlschmelzens (engl. Laser-based Powder Bed Fusion, LPBF) zur Fertigung metallischer Bauteile hat in den letzten Jahren nicht nur zu neuen Entwicklungen geführt, sondern auch Forschungs- und Handlungsfelder resultierender Limitationen aufgezeigt. Insbesondere erfordert die Verarbeitung verschiedener Materialien in der Additiven Fertigung ein Umdenken hinsichtlich der bisherigen Pulverapplikationsmechanismen. Die wesentlichen technologischen Entwicklungsfelder sind unter der Multimaterial-Verarbeitung, der Erweiterung des verarbeitbaren Partikelspektrums sowie der Steigerung der Effizienz der Applikationsmodule zusammenzufassen. Konventionelle Applikationssysteme wie das Rakel- und Düsenprinzip stoßen in diesen Bereichen an ihre Grenzen. Herausforderungen zeigen sich unter anderem durch Applikationsschwierigkeiten von wenig fließfähigen (z.B. wasserverdüsten) Pulvern oder bei Pulvern mit Abweichungen von der etablierten Partikelgröße und Partikelgrößenverteilung. Da der Pulvertransport mit einem elektrofotographischen Pulverapplikationsmodul (EPAMO) auf der Anziehungskraft von elektrostatischer Ladung basiert, wird diesem Mechanismus eine Unabhängigkeit von der Fließfähigkeit bei zugleich hoher lokaler Auflösung sowie hohem Durchsatz zugeschrieben.

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie
© StMWi

Ein Auftragsmechanismus mit Potenzial

Der elektrofotographische Prozess ist in Laserdruckern seit Jahren etabliert. In Anlehnung an das Verfahren von Laserdruckern sind die wesentlichen Prozessschritte schematischen in der Abbildung 1 dargestellt und werden wie folgt unterteilt: Aufladung - Belichtung - Anziehung - Ablage. Die Pulveranziehung und -ablage wird dabei durch elektrostatische Feldkräfte ermöglicht. Das präzise Pulverhandling wird durch eine dünne Fotoleiterschicht realisiert, welche heutzutage überwiegend aus organischem Fotoleitermaterial (organic photoconductor, OPC) besteht. Fotoleiter sind lichtempfindliche Komponenten und ihr Wirkungsprinzip ähnelt dem von Halbleitern. Die Besonderheit ist, dass sie bei Abwesenheit von Licht als Isolatoren wirken und durch Photonen lokal leitfähig werden können. Die Belichtung des Fotoleiters führt zu einer selektiven Entladung und formt die Grundlage für einen gezielten Pulverauftragsmechanismus. So wird gezielt eine Ladungskontur auf die Fotoleiteroberfläche aufgebracht, welche dem späteren Bauteil entspricht.  

Exemplarisches Schema der Prozessschritte zum Pulverauftrag mittels Fotoleiter
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 1: Exemplarisches Schema der Prozessschritte zum Pulverauftrag mittels Fotoleiter

Einblicke in die Forschung am Fraunhofer IGCV

Vergleich Pulveranziehung
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 2: Vergleich von Aufnahmen aus der experimentellen Reihe zur Pulveranziehung durch Variation des Oberflächenpotenzials am Fotoleiter, links: Geringes E-Feld (0,4 MV/m) zwischen Fotoleiter und Anziehungsplatte, rechts: Höheres E-Feld (0,7 MV/m) zwischen Fotoleiter und Anziehungsplatte

Zur Untersuchung einer Übertragbarkeit der elektrofotographischen Pulverapplikation auf den LBM-Prozess werden im Projekt PHOTOAM die Prozessphasen sequenziell untersucht. So wird essentielles Prozesswissen erarbeitet, eine Anlagenimplementierung vorbereitet und die Erschließung der Potenziale für die Additive Fertigung vorangetrieben.

Im vergangenen Projektjahr (bis 09/2020) lag der Fokus auf der sequenziellen Voruntersuchung der Prozessphasen zur Pulveranziehung, Pulverablage sowie der Belichtung (selektive Anziehung) mit dem Ziel der Vervollständigung des Applikationsprozesses. Insbesondere ist es gelungen eine selektive Entladung und trennscharfe Bildgebung am Fotoleiter durch eine starre Belichtungseinheit zu erzeugen. Es ist eine geeignete Prozessführung für die Pulverablage des selektiv angezogenen Pulvers entwickelt worden. Exemplarisch wird im Folgenden auf die Versuchsreihe der Partikelanziehung mit dem verwendeten Stahlpulver 1.7147 (20MnCr5) sowie auf Auszüge der Pulverablage näher eingegangen.

Anhand der Aufnahmen in Abbildung 2 erfolgt exemplarisch die Visualisierung aus der experimentellen Reihe zur Variation des elektrischen Feldes bis zur Vollflächigkeit der Anziehung.

Eine Prognose zur Ausbildung des elektrischen Felds zwischen dem Fotoleiter und der Pulveranziehungsplatte ist in Abbildung 3 simulationsbasiert (COMSOL Multiphysics®) visualisiert. Ersichtlich sind die entstehenden Feldlinien und die auftretenden Streufelder.

Eine Pulverablage ist als Einzel- und Mehrfachschicht realisierbar. Die Abbildung 4a zeigt eine Aufnahme einer erfolgreichen vollflächigen Pulverablage in einer Einzelschicht. Die abgelegte Pulverschicht innerhalb des Flächenüberdeckungsbereichs zwischen dem Fotoleiter und der Ablageplatte erscheint homogen. In den Kontaktrandbereichen treten bei der vollflächigen Ablage stets Pulverdislokationen auf. Diese sind auf zuvor beschriebene Streueffekte in den Randbereichen zurückzuführen. Die zuvor beschriebene Effekt wird durch die Abbildung 4b bestätigt. Die angezogene Teilschicht innerhalb des Flächenüberdeckungsbereichs kann in exakter Form und Dimension ohne Dislokationen auf der Ablageplatte platziert werden.

Die Abbildung 4c zeigt eine erste Pulverablage nach der selektiven Anziehung am Fotoleiter nach einer Belichtung.

Simulation E-Feld
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 3: Simulationsbasierte Visualisierung der Feldlinien und Streufelder zwischen Fotoleiter und Pulveranziehungsplatte durch COMSOL Multiphysics ®
Pulverablage
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 4: Aufnahmen der Pulverablage von 1.7147 durch Gegenspannungen an der Ablageplatte. a) Vollflächige Ablage mit Pulverdislokation, b) Ablage nach vorgegebener Teilanziehung ohne Pulverdislokation, c) Selektive Pulverablage nach Belichtung

Elektrophotographische Pulverapplikation von Metallpulver für das Laser-Strahlschmelzen

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