Beseitigung von Treppenstufenartefakten im Binder Jetting Verfahren

Erreichung hoher Oberflächengüten bei gedruckten Formen und Kernen durch lokale Steuerung der Binder-Verteilung

In heutigen Gießereien ist die Verwendung von 3D-gedruckten Formen und Kernen weit verbreitet. Der Großteil geht dabei auf Furanharzkerne mit Quarzsand zurück. Bei der Produktion wird der Sand mithilfe eines Katalysators »aktiviert«, während der Druckkopf das Bindemittel Furfurylalkohol auf das Pulverbett aufträgt. Durch eine Polykondensationsreaktion erfährt das Bindemittel eine Umwandlung, wodurch eine stabile Verbindung zwischen den Sandpartikeln entsteht. Bekannt sind diese Kerne und Formen für ihre kosteneffiziente Herstellung und unkomplizierte Verarbeitung. Im Vergleich zu konventionell gefertigten Kernen weisen sie jedoch gewisse Nachteile auf, darunter das Anhaften von lose gebundenem Sand an den Oberflächen der Bauteile sowie sichtbare Stufen auf den Oberflächen.

Das präsentierte Forschungsprojekt hat einen Beitrag zur Optimierung der Oberflächenqualität geleistet. Dies schloss eine gründliche Analyse und Klärung der Fehlerentstehung sowie die Entwicklung eines praxistauglichen Verfahrens zur Steigerung der Maßgenauigkeit und zur Beseitigung von Oberflächenstufen an den Bauteilen ein.

Treppenstufen-Artefakte

Nahezu alle dreidimensional gedruckten Bauteile weisen auffällige diskrete Treppenstufen auf, die auf bestimmten Oberflächen gut erkennbar sind. Diese Stufen sind das Resultat des schichtweisen Aufbauprozesses beim 3D-Druck. Liegen die Oberflächen des zu fertigenden Bauteils mit ihrer Normalenrichtung nahe zu parallel zur Aufbaurichtung, führt dies zu sichtbaren Stufen. Deren Ausprägung ist von der gewählten Schichtdicke abhängig und sie sind besonders bei Neigungen bis zu 20° ausgeprägt (siehe Abbildung 1).

Die Schichtdicke spielt eine entscheidende Rolle für die Wirtschaftlichkeit des 3D-Druckverfahrens. Eine Verringerung führt zu einem Anstieg der benötigten Schichten für die gleiche Bauhöhe, was längere Prozesszeiten und somit höhere Kosten zur Folge hat. Zudem erlauben die üblicherweise verwendeten Sande mit einer durchschnittlichen Korngröße von etwa 140 µm keine uneingeschränkte Reduzierung der Schichtdicke. Daher ist eine Eliminierung der Stufen durch dünnere Schichten sowohl wirtschaftlich als auch technisch nicht sinnvoll. Treppenstufen werden häufig in der Rauheitsmessung vernachlässigt. Würden diese berücksichtigt, hätten stufige Bauteile eine erheblich gesteigerte Rauheit. 

Sofern herkömmliche Rauheitskennwerte die Stufen nicht angemessen berücksichtigen würden, könnten 3D-gedruckte Bauteile oft nicht den spezifischen Anforderungen der Kunden gerecht werden. Der Einfluss auf mögliche Kerbwirkungen bei gegossenen Bauteilen wurde bisher nicht umfassend erforscht, scheint jedoch plausibel. Speziell bei kleinen Bauteilen, hohen Präzisionsansprüchen sowie bei Bauteilen für Strömungsanwendungen stellen Treppenstufen eine große Herausforderung dar.

Abbildung 1: Charakteristische Treppenstufen-Artefakte auf 3D-gedruckten Sand- bzw. Gussbauteilen
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 1: Charakteristische Treppenstufen-Artefakte auf 3D-gedruckten Sand- bzw. Gussbauteilen

Reduzierung der Stufenbildung durch Anpassung der lokalen Binderkonzentration

Abbildung 2: Vergleich von konventionell gefertigten Testplatten (links) mit geglätteten Testplatten (rechts)
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 2: Vergleich von konventionell gefertigten Testplatten (links) mit geglätteten Testplatten (rechts)

Die Genauigkeit lässt sich durch gezielte Modifikationen am Gehalt des Bindemittels steuern. Dieser Zusammenhang soll nun auf mikroskopischer Ebene in die Druckdaten integriert werden, um lokal Bindergehalt zu steigern oder zu mindern und somit die Bildung von Stufen zu unterbinden. Hierbei erfolgt eine manuelle Anpassung der Druckdaten in einer Bildverarbeitungssoftware, gefolgt von iterativen Tests verschiedener Modellansätze. Die Beobachtung zeigt, dass durch das Anwenden sich überlagernder, beinahe kontinuierlicher Kurven die Treppenstufen unabhängig von der Neigung ausgeglichen werden können. Das Ergebnis dieses verbesserten Prozesses wird in Abbildung 2 dargestellt.

Industrialisierung mit Hilfe automatisierter Datenaufbereitung

Die Resultate der präsentierten Datenmanipulation verdeutlichen, dass durch passende Gradienten die Stufen aufgelöst werden können. Durch optische 3D-Scans der Oberflächen wurde festgestellt, dass die verbleibende Abweichung vom 3D-Modell innerhalb eines Bereichs liegt, der geringer ist als die Größe eines mittleren Sandkorns. Bemerkenswert ist die Veränderung der Bauteilfarbe: Im konventionellen Druck weist das Bauteil einen einheitlichen dunkelgrünen Farbton auf, während beim geglätteten Druck dunklere Bereiche in der früheren Treppenstufenkehle zu sehen sind. Dies resultiert aus der erhöhten Konzentration des Bindemittels an diesen Stellen.

In Bezug auf die Gießtechnik stellt sich die Frage, ob der erhöhte Bindergehalt zu einer Zunahme der Gasporosität führt. Schliffbilder von Gussteilen zeigten keine Anzeichen für eine gesteigerte Gasneigung. Die resultierende Gasporosität erscheint durch die lokale Veränderung des Bindemittelgehaltes unbeeinflusst zu sein. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass eine lokale Erhöhung des Bindergehaltes, wie oben gezeigt, auch zusätzlichen Sand an die Form bindet und somit den tatsächlichen Binderanteil lediglich marginal verändert.

Typischerweise weisen reale Bauteile, die von den dargestellten Verbesserungen profitieren können, eine anspruchsvolle geometrische Komplexität auf. Eine manuelle Datenmanipulation, insbesondere unter Berücksichtigung der üblichen Freiformflächen, wäre nicht zuletzt aufgrund des erheblichen Zeitaufwands nicht praktikabel. Deshalb wurde eine Methode entwickelt, die auf etablierten Slicing-Algorithmen basiert und es ermöglicht, die veränderten Druckdaten automatisiert aus einem 3D-Modell abzuleiten. Hierbei werden sowohl die Kombination von Sand und Bindemittel als auch die angestrebte Schichtdicke und der vorhandene Druckkopf als Eingabeparameter im Programm berücksichtigt.

Die geglätteten Oberflächen sind bereits in den Sandformen deutlich sichtbar  (Abbildung 3). Durch den Einsatz der alternativen Datenaufbereitung kann auf der Versuchsanlage unter Beibehaltung der gleichen Schichtzeit eine Formhälfte mit herkömmlichen Stufen und eine Formhälfte mit geglätteten Oberflächen produziert werden. Das entstandene Gussteil »Impeller«, welches auf einer S-Max Anlage des Herstellers ExOne hergestellt wurde, verdeutlicht die industriellen Möglichkeiten dieses Verfahrens (Abbildung 4). Im dargestellten Fall wurde eine Formhälfte auf herkömmliche Weise aufgebaut, während die andere Hälfte mit den bearbeiteten Daten erstellt wurde. Mithilfe der zweigeteilten Form lässt sich ein Vergleich hinsichtlich der Veränderung der Oberflächengüte durchführen.

Abbildung 3: Parametrisierte (links) und konventionell (rechts) gedruckte Gießform mit komplexen Flächen aus Furanharz
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 3: Parametrisierte (links) und konventionell (rechts) gedruckte Gießform mit komplexen Flächen aus Furanharz
Abbildung 4: 3D-gedruckte Kerne können ohne Treppenstufen-Artefakte hergestellt werden
© Fraunhofer IGCV
Abbildung 4: 3D-gedruckte Kerne können ohne Treppenstufen-Artefakte hergestellt werden

Optimierung von 3D-gedruckten Formen und Kernen für verbesserte Oberflächen und Genauigkeit

Das Projekt stellt verschiedene Methoden vor, um die Wertschöpfung von 3D-gedruckten Formen und Kernen zu verbessern. Durch eine optimierte Oberfläche können anspruchsvolle Kundenanforderungen nicht nur in Bezug auf die Qualität der Oberfläche, sondern auch hinsichtlich der Prüfbarkeit bei erhöhten Standards erfüllt werden. Darüber hinaus eröffnen sich neue Perspektiven in der Technologie. Die verbesserte Oberflächenqualität im 3D-Druck ermöglicht beispielsweise eine weitergehende Entfaltung der gestalterischen Freiheit bei additiven Verfahren. Komplexe, funktionale Oberflächen, wie sie beispielsweise an der Austrittskante von Strömungsflächen auftreten, können mit zusätzlichen Wirbelerzeugern versehen werden, um die Strömung gezielt abreißen zu lassen und damit den Wirkungsgrad zu erhöhen, ähnlich wie es bei Golfbällen der Fall ist.

Zusätzlich zur Beseitigung von Stufen wurden in diesem Vorhaben auch Erkenntnisse über die Ursachen von Maßabweichungen gewonnen. Basierend auf diesen Erkenntnissen können in Zukunft Maßabweichungen im gesamten Bauvolumen durch datengesteuerte Kompensationen ausgeglichen werden, was zu einer gesteigerten Genauigkeit der gedruckten Teile führt. Durch die Einführung neuer Druckstrategien wurde ebenfalls die Basis gelegt, um die Kantenschärfe zu verbessern.

Die Versuche im Rahmen dieses Projekts wurden mit einem Druckkopf durchgeführt, der graustufenfähig ist. Die gegenwärtig erhältlichen 3D-Drucker sind nahezu ausschließlich mit Druckköpfen ausgestattet, die Schwarz-Weiß-fähig sind und eine unterschiedliche Auflösung sowie andere Druckmodule verwenden. Die Anpassung der Daten und die Berücksichtigung der Hardware der verfügbaren Geräte am Markt erfolgten durch die Automatisierung des Prozesses unter Berücksichtigung der schwarz-weiß Druckmodule. 

Zusammenarbeit

Wir finden gerne eine individuelle Lösung für Ihr Anliegen.

Branchenlösungen

Die Schlüsselbranchen des Fraunhofer IGCV:

  • Maschinen- und Anlagenbau
  • Luft- und Raumfahrt
  • Automotive und Nutzfahrzeuge

Kompetenzen

Wir gestalten den Weg in die Zukunft des effizienten Engineerings, der vernetzten Produktion und der intelligenten Multimateriallösungen.

Referenzprojekte

Zur Übersicht der Referenzprojekte am Fraunhofer IGCV.