eTruckPro | Flexible und wandlungsfähige Produktionssysteme für elektrische und konventionelle Lastkraftwagen

Mischproduktionssysteme zur symbiotischen Herstellung elektrischer und konventioneller Lastkraftwagen

In den letzten Jahren stiegen die weltweiten Treibhausgasemissionen weiter an, von 23 Mrd. Tonnen CO2 in 1995 auf 35 Mrd. Tonnen in 2020. Geltende Klimaziele drohen verfehlt zu werden. Die klimafreundliche Wandlung von straßenbasierten Nutzfahrzeugen (NFZ) muss deshalb einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der Emissionen leisten. Den größten Hebel liefert dabei die Elektrifizierung der 40-Tonner, welche aufgrund des Langstreckenverkehrs und der hohen Transportmassen 48 Prozent der CO2-Emissionen aller Nutzfahrzeuge ausmachen (vgl. Abb. 1).

 

Einteilung der Nutzfahrzeuge nach ausgestoßenen CO2-Emisionen
© MAN Truck & Bus
Einteilung der Nutzfahrzeuge nach ausgestoßenen CO2-Emisionen

Die Absatzentwicklung von elektrischen NFZ (eNFZ) unterliegt bis heute großen Unsicherheiten. Um wirtschaftliche Risiken zu reduzieren, gilt in der Übergangsphase die Befähigung von Montagesystemen für die parallele Produktion zweier Fahrzeugvarianten (konventionell und elektrisch) als eine sinnvolle Lösung.

Wandlungsfähige Mischproduktion mit elektrischen LKW | Verbundprojekt eTruckPro

Vorgehensmodell zur Integration von elektrischen Lastkraftwagen in bestehende Montagelinien

An dieser Stelle setze das Verbundvorhaben eTruckPro an. Das Ziel des vom BMWK geförderten Projektes bestand in der Entwicklung einer wandlungsfähigen Mischproduktion zur symbiotischen Herstellung konventioneller und elektrischer Lastkraftwagen. Durch die Nutzung vorhandener Produktionsanlagen und durch eine angepasste Linienaustaktung konnten Kosten, wie die Anschaffung zusätzlicher Betriebsmittel und Produktionsflächen, vermieden und Transformationspfade entwickelt werden. Zur Reduktion der Anlaufzeit und um die Werksbelegschaft auf ihre neuen Arbeitsinhalte vorzubereiten, wurde zudem ein Vorgehen zur Mitarbeitendenassistenz entwickelt.

Die Integration von Elektrifizierungskomponenten wirkt sich insgesamt auf die bestehende Bandstruktur aus. Der Partner Hörmann Rawema entwickelte deshalb ein Simulationsmodell von dieser Ebene, mittels welchem die bestehende Struktur und der sich ändernde Personalbedarf an den einzelnen Montagestationen für unterschiedliche Produktionsszenarien ermittelt werden konnte. Das Fraunhofer IGCV legte seinen Fokus auf die Feinplanung einzelner Bandabschnitte rund um die Montage von Batteriepaketen und E-Antrieb, da dort die höchsten Anpassungsbedarfe auf stationsebene erwartet wurden. Dabei wurde beispielsweise die Verteilung hinzukommender Montageinhalte auf das Montagepersonal unter Einhaltung von Einplanungsrestriktionen (Montagereihenfolge, Montagezeit und Einbauort) mittels digitaler Planungstools untersucht und optimiert. Um derartige Planungsprozesse zukünftig effizienter zu gestalten, hat das Fraunhofer IGCV zusammen mit den Partnern MAN Truck & Bus und Hörmann Rawema ein Vorgehensmodell entwickelt und veröffentlicht (vgl. Abb. 2).

Vorgehensmodell zur Einführung einer Mischproduktion mit eLKW
© Fraunhofer IGCV
Vorgehensmodell zur Einführung einer Mischproduktion mit eLKW

Schaffung einer transparenten Datenbasis als Planungsgrundlage

Damit die Umplanung eines bestehenden Produktionssystems auf eine Mischproduktion mit elektrischen LKW gelingen kann, ist die Verfügbarkeit bzw. Entwicklung einer transparenten und durchgängigen Datenbasis Voraussetzung. Dabei wurde über Laserscanning ein digitales Abbild der Produktionsbereiche erstellt, welches für die reale räumliche Anordnungsplanung von neuen Produktvarianten in den Simulationsmodellen genutzt werden konnte.

Neben den räumlichen Informationen ist das Sammeln und Aufbereitung von Produktionsdaten für die Umplanung unverzichtbar. In eTruckPro wurde ein individuelles Vorgehen entwickelt, welches beschreibt, wie aus vorhandenen groben Informationen der Montageplanung in Kombination mit sehr detailreichen IST-Daten aus der laufenden Produktion eine Datenbasis geschaffen werden kann, die als Grundlage für die Simulation von Zukunftsszenarien genutzt werden kann.

Erprobung von Montageassistenzsystemen
© Fraunhofer IGCV
Demonstrator des Fraunhofer IGCV zur Erprobung von Montageassistenzsystemen

Methode zur Mitarbeitendenqualifikation

Montierende werden individuell durch kognitive Assistenzsysteme bei deren Montagetätigkeiten in Abhängigkeit des persönlichen und notwendigen Unterstützungsgrad hin unterstützt. Hierfür wurde durch das Fraunhofer IGCV ein Softwaresystem entwickelt, das bis zu sieben verschiedene kognitive Assistenzsysteme verschiedener Hersteller miteinander verknüpft und sich aufwandsarm konfigurieren und rekonfigurieren lässt. Für die Demonstration dieser Montageassistenzsysteme wurde ein Demonstratorplattform entwickelt.

Mehrwert des neuen Vorgehens in der Fabrikplanung

Dank der agilen und simulationsbasierten Vorgehensweise zur Umgestaltung des bestehenden Produktionssystems in eTruckPro konnte die Effizienz und Qualität der Produktion deutlich gesteigert werden. Die eingesetzten flexiblen Planungsmethoden ermöglichen eine optimierte Herstellung von elektrischen Lastkraftwagen auf konventionellen Linien in der Zukunft.
Die wichtigsten Erkenntnisse des Projektes wurden in einem Leitfaden zusammengefasst, welcher mit Projektabschluss veröffentlicht wird.
Die Zukunft der E-Mobilität für straßenbasierte Transporte ist wandlungsfähig und flexibel!

Ausblick

Die Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen markiert einen entscheidenden Schritt in Richtung einer nachhaltigen Zukunft. Doch dieser Schritt ist nur der Anfang einer Reihe disruptiver Veränderungen, die die Nutzfahrzeugbranche erwartet. Die nächste Welle bahnbrechender Entwicklungen steht bereits vor der Tür: das vollautonome Fahren. Mit dem Wegfall des Fahrerhauses eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten für das Design und die Effizienz von Nutzfahrzeugen, die die gesamte Art und Weise, wie NFZ genutzt werden, revolutionieren.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen zu bewältigen. Gesetzliche Vorgaben zur CO2-Reduktion werden immer strenger, und das Kundenbewusstsein für Nachhaltigkeit steigt weiter an. Die Branche muss sich darauf einstellen, umweltfreundlichere Lösungen zu entwickeln und den steigenden Erwartungen gerecht zu werden. Zusätzlich zu den äußeren Einflüssen verkürzen sich die Produktlebenszyklen, was eine noch schnellere Anpassung des Produktionssystems erfordert. Die Effizienz der Planung muss weiter verbessert werden, um den Anforderungen gerecht zu werden und die Produktion agil und effizient zu gestalten.

Der Weg in die Zukunft ist spannend und herausfordernd zugleich. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus eTruckPro sind wir bereit, diesen Weg zu gehen und aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigeren und innovativen Branche mitzuwirken. Die Zukunft der Nutzfahrzeuge ist elektrisch, autonom und nachhaltig – und wir sind begeistert, Teil dieser wegweisenden Entwicklung zu sein.

Literaturhinweise

Word Resources Institute: Höhe der weltweiten Treibhausgasemissionen in den Jahren 1990 bis 2019. Internet: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/311924/umfrage/treibhausgasemissionen-weltweit/

Global Carbon Project: Entwicklung des weltweiten CO2-Ausstoßes. Internet: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/208750/umfrage/weltweiter-co2-ausstoss/

EDGAR/JRC: Verteilung der CO2-Emissionen weltweit nach Sektor bis 2020. Internet: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167957/umfrage/verteilung-der-co-emissionen-weltweit-nach-bereich/

Europäische Kommission: Europäischer Grüner Deal. Erster klimaneutraler Kontinent werden. Internet: https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de?gclid=EAIaIQobChMI6uC537fl-gIVKo9oCR3X7woBEAAYASAAEgL1sPD_BwE

MAN auf dem Weg zum CO2-freien Transport. Internet vom 03.06.2023: https://www.youtube.com/watch?v=fScQjz1Kljo

Kampker, A.; Burggräf, P.; Deutskens, C.: Produktionsstrukturen Für Komponenten Künftiger Elektrofahrzeuge. ATZproduktion 3 (2010) 2, S. 48–53

Ott et. al (2023), Simulationsgestütztes Vorgehen für eine Mischproduktion mit elektrischen Nutzfahrzeugen: Hybridisierung bestehender Montagesysteme, WT Werkstattechnik online, vol. 113 Heft 3, S. 101-106

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